Justizreform per Brechstange und vergessliche Grossparteien
Gerade einmal dreieinhalb Wochen – so viel Zeit hatten die Abgeordneten, um sich mit dem Regierungsvorschlag zur Justizreform auseinanderzusetzen. Die 490 Seiten voll tiefgreifender Veränderungen unseres Rechtssystems in dieser kurzen Zeit seriös zu beurteilen, ist schlicht unrealistisch. Das Vorgehen der Regierung erweckt den Eindruck, dass eine fundierte Auseinandersetzung und breite Diskussion zu ihren Vorschlägen nicht erwünscht sind. Nachdem die erste Vernehmlassung harsche Kritik einstecken musste, wird jetzt versucht, die Reform mit einem umgearbeiteten Vorschlag doch noch übers Knie zu brechen. Verfassungsänderung im Schnelldurchlauf – das hatten wir doch schon einmal dieses Jahr. Doch die Grossparteien scheinen ihr energisches Engagement gegen eine unüberlegte Verfassungsänderung – damals seitens der DpL – vergessen zu haben. Beide Regierungsparteien sahen darin kürzlich noch eine grosse Gefährdung der Stabilität und des Wohlstands in Liechtenstein. Jetzt sind sie es, die innerhalb kürzester Zeit grundlegende Strukturen drastisch abbauen wollen.
Weitreichende und notwendige Reformen im Fundament der Rechtsordnung erfordern eine offene, ausführliche Diskussion, keine stille Vernehmlassung hinter verschlossenen Türen. Ein solches Vorgehen in einem so fundamentalen Reformprozess wie dem Umbau der Justiz ist aus Sicht der Freien Liste undemokratisch, befremdlich und wird der Sache nicht gerecht. Um eine offene Auseinandersetzung zu ermöglichen, erwarten wir von der Regierung ein Umdenken. Ihre Vorschläge sind zu wesentlich, als dass sie einfach durchgewinkt werden dürfen. Dass es Reformbedarf gibt, ist unbestritten, ebenso, dass bei tiefgreifenden Gesetzes- und Verfassungsänderungen eine offene Diskussion zwischen betroffenen Akteuren, Volksvertretung und Gesamtbevölkerung unverzichtbar ist. Nur so können Verbesserungen wirken und nachhaltig bestehen.
Valentin Ritter, Vorstandsmitglied der Freien Liste