Politische Frage der Woche: Einbürgerungen
Die Regierung hat eine Vorlage zur Gesetzesänderungen über die Einbürgerungen in die Vernehmlassung geschickt: das Stimmrecht für Einbürgerungen im ordentlichen Verfahren soll auf alle Landesbürger der jeweiligen Gemeinde ausgeweitet werden und sich nicht mehr nur auf die Gemeindebürger:innen beschränken. Der Vorschlag könnte «zumindest ein erster Teilschritt sein», meint die Gemeinde Eschen dazu. Aus ihrer Sicht sei das Zusammenspiel von Landesbürger- und Gemeindebürgerrecht einer fundierten Prüfung zu unterziehen. «Zumal die heutige gesetzliche Lösung insbesondere in Gemeinden mit Bürgergenossenschaften sowie alten Rechten und Übungen teils zu erstaunlichen Auswirkungen führen kann.» In einem Leserbrief heisst es sogar: «Das ganze Einbürgerungsverfahren ist ein Systemfehler und gehört abgeschafft, weil es von persönlichen Ressentiments abhängt und völlig willkürlich ist»
Braucht es bei der Abstimmung zur Einbürgerung einen Systemwechsel?
Die aktuelle Vernehmlassung behandelt die Umsetzung einer Motion der Freien Liste, die eine umfassende Gleichstellung der Landesbürger:innen im Inland und die Demokratisierung des Gemeinderechts forderte. Die bestehende Ungleichbehandlung zeigt sich heute insbesondere bei den Gemeindeabstimmungen im ordentlichen Einbürgerungsverfahren. Unter den geltenden Rahmenbedingungen ist es richtig und wichtig, dass künftig alle Landesbürger:innen mit Wohnsitz in der Gemeinde an diesem Abstimmungsprozess teilhaben sollen.
All das adressiert das strukturelle Problem aber nicht – nämlich, dass überhaupt darüber abgestimmt wird, wer eingebürgert werden soll und wer nicht. Unabhängig von der nun vorgeschlagenen Erweiterung bleibt die grundsätzliche Kritik bestehen: Das ordentliche Einbürgerungsverfahren widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein individuell begründbarer Rechtsanspruch von einer öffentlichen Abstimmung in der Gemeinde abhängig sein soll. Die Entscheidung über Staatsbürger:innenschaft darf nicht der Mehrheitsmeinung einer Versammlung überlassen werden, in der soziale Nähe und persönliche Vorurteile eine grössere Rolle spielen als rechtliche Kriterien.
Einbürgerungen sind gesetzlich definierte Vorgänge und müssen entsprechend behandelt werden: nachvollziehbar, begründet, diskriminierungsfrei und überprüfbar. Das fordern auch internationale Gremien wie der UN-Menschenrechtsrat oder der Europarat.
Die aktuelle Gesetzesvorlage behebt eine demokratische Schieflage, das Kernproblem bleibt aber bestehen: Die Gemeindeabstimmung im ordentlichen Einbürgerungsverfahren ist mit menschenrechtlichen Standards schwer vereinbar. Wenn wir es ernst meinen mit Demokratie und Rechtsstaat, muss das Verfahren grundsätzlich reformiert werden.
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