Sozial 13. Mai 2023 Fraktion

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Wirtschaft gut!

«Die oberste Aufgabe des Staates ist die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt», so steht es in der liechtensteinischen Verfassung. Wer die jüngsten Diskussionen der Politik verfolgt, könnte irrtümlicher Weise den Eindruck gewinnen, diese Volkswohlfahrt sei ausschliesslich mit Wirtschaftsleistung gleichzusetzen. Um im Landtag etwas durchzubringen, muss lediglich mit einer «positiven Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung» argumentiert werden. So werden kurzerhand 1.5 Millionen Franken für die Digitalisierung von KMUs gesprochen, oder der Staatsbeitrag der nächsten fünf Jahre für die FMA um 1 Million Franken jährlich angehoben. Auf eine Erhöhung bei den Abgaben und Gebühren für die Finanzintermediäre wird dabei bewusst verzichtet.

Weniger grosszügig zeigt sich die Volksvertretung immer dort, wo für soziale Wohlfahrt oder Verteilungsgerechtigkeit argumentiert wird. Ein einmaliger Ergänzungskredit von 90’000 Franken hätte ein freies und selbstbestimmtes Leben für queere Jugendliche am SZU II über die nächsten Jahrzehnte hinweg erleichtern können. Stattdessen wurden genderneutrale Sanitäranlagen, die zum Wohlbefinden und zur psychischen Gesundheit von jungen Menschen ausserhalb des binären Geschlechtersystems beitragen, als «neumodischer Firlefanz» abgetan. Während höhere Gebühren in der Finanzbranche unbedingt vermieden werden sollen, steigen die Krankenkassenprämien pro Kopf drastisch. Der Staatsbeitrag für die OKP stagnierte seit 2015. Ebenso lange fordert die Freie Liste eine Erhöhung desselben und kritisiert die unsolidarische Verteilung der Gesundheitskosten über die Kopfprämie. Für den Vorschlag einer einkommensabhängigen Krankenkassenprämie — und damit für mehr Verteilungsgerechtigkeit — hatte der Landtag bislang kein Ohr. Im derzeit bestehenden System kann eine Entlastung also nur über die Erhöhung des OKP-Staatsbeitrags bewerkstelligt werden. Um derselben sozialen Verantwortung nachzukommen wie im Jahr 2015, hätte dieser Beitrag im Jahr 2023 um rund 7 Millionen Franken angehoben werden müssen. Der Landtag konnte sich nicht durchringen, diesen Teuerungsausgleich zu gewährleisten. Ebenso erinnere man sich an die Diskussion um die Herabsetzung der Hürden für die Prämienverbilligung. Eine gänzliche Beseitigung der Hürden, in Form einer automatisierten Auszahlung der Prämienverbilligung an Anspruchsberechtigte mit der Möglichkeit Verzicht anzumelden, war politisch nicht gewollt.

Es zeigt sich: Wirtschaftliche Anliegen haben es vergleichsweise leicht im Landtag, ungeachtet der ökologischen und sozialen Konsequenzen. Staatliche Unterstützung für die Bevölkerung, insbesondere für Menschen mit finanziellen und/oder strukturellen Nachteilen, hingegen schwer. Dabei scheinen die Abgeordneten zu vergessen, dass sich Volkswohlfahrt nicht an florierender Wirtschaft misst, sondern vielmehr die Basis dafür ist.