Liechtenstein «feiert» 40 Jahre Frauenstimmrecht
Am 1. Juli 1984, also vor 40 Jahren, wurde das Frauenstimmrecht in Liechtenstein beim dritten Anlauf endlich angenommen. Theoretisch könnten wir nun also einfach das historische Ereignis feiern, dass Liechtenstein als letztes Land in Europa gerade noch so über die Ziellinie taumelte, als es darum ging, dass auch Frauen vollwertige Bürgerinnen sind.
Was wir anlässlich des Jubiläums auf jeden Fall feiern sollten, sind die zahlreichen Aktivist:innen und Organisationen, die Jahrzehnte lang darum gekämpft haben, dass es überhaupt dazu gekommen ist. Und, wir sollten all die Menschen feiern, die auch danach nicht aufgegeben haben. Die, die sich nicht darauf ausgeruht haben, sondern weiterkämpften — zum Beispiel für die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau, die Liechtenstein erst im Jahr 1999 verankert hat.
An diesem Punkt hört die Feierlaune aber leider auch schon wieder auf: Dass das Recht auf politische Partizipation und die gesetzliche Gleichstellung nämlich nicht automatisch reale Gleichstellung oder Chancengerechtigkeit bedeuten, zeigt uns die Politik tagtäglich.
Weltweit sind nur ca. 10 Prozent aller Regierungs- und Staatschef:innen Frauen. Wenn wir hier in Liechtenstein eine Landtagssitzung verfolgen, sind immer noch nur 7 von 25 Sitzen von Frauen besetzt. Ganze 16 von 51 Landeskommissionen haben keine einzige Frau im Entscheidungsgremium. Überall da fehlen die Stimmen, Ideen und Bedürfnisse von Frauen und allen anderen politisch marginalisierten Gruppen. Fakt ist, dass die politische Deutungshoheit immer noch fundamental ungerecht verteilt ist. Demokratie wird nämlich nicht nur dort beeinflusst, wo es darum geht, wer abstimmen darf, sondern auch überall dort, wo es darum geht, wer bestimmt, über was das überhaupt abgestimmt werden soll. Und das entscheiden nach wie vor überwiegend weisse Männer.
Immer wieder wird gesagt, dass Liechtenstein seit der Einführung des Frauenstimmrechts keine halbe Demokratie mehr sei. Eine ganze sind wir deswegen aber noch lange nicht: Frauen und andere marginalisierte Gruppen sind in der Politik auch 40 Jahre nach dem Frauenstimmrecht noch massiv unterrepräsentiert. Mehr als ein Drittel der Menschen, die im Land leben, dürfen nicht wählen oder abstimmen, weil ihr Pass die falsche Farbe hat. Auch bei der Barrierefreiheit von Wahl- und Abstimmungsprozessen haben wir noch viel Luft nach oben. Deshalb: Wenn wir dieses Jahr die Errungenschaften feiern, sollten wir genau hinschauen, wie diese erreicht worden sind und den Kampfgeist von damals mitnehmen. Für Gleichstellung und die Stärkung der Demokratie gibt es auch heute noch einiges zu tun. Wir bleiben dran!
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