Sozial 12. Oktober 2023 Tatjana As’Ad

Lie:zeit Monatsfrage — Migration

Wie sieht unsere Bevölkerung die Zunahme der Flüchtlinge ins Land?

Die Zuwanderung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten nimmt in den europäischen Ländern immer mehr zu. In den umliegenden Nachbarländern sieht die Bevölkerung die Zuwanderung immer kritischer. Es geht vor allem um die Unterbringung und weitere Unannehmlichkeiten, welche Flüchtlinge einfach mitbringen und grosse Teile der Bevölkerung auf Dauer belasten. Eine vor wenigen Tagen in Österreich veröffentlichte Umfrage zeigt, dass schon knapp 60% der Bevölkerung die Zuwanderung negativ sehen, ausser Grünen-Wählerinnen und -wähler, die etwas anders ticken. Ähnliche Werte gibt es aus Deutschland und aus der Schweiz.

Wie steht es in dieser Frage in Liechtenstein? Ist unsere Bevölkerung anders gestrickt? Tun wir zu zuviel für die Zuwanderer? Was ist Ihre persönliche Meinung?

Menschen verlassen ihren Wohnort auf der Suche nach mehr Lebensqualität und besseren Verdienstmöglichkeiten oder als Schutzsuchende vor Krieg und Krisen. Dieses Phänomen ist älter als die Zivilisation und auch in der Landesgeschichte tief verankert. Während der Hungersnot, Rezession und Wirtschaftskrise im 19. und 20. Jahrhundert sind zahlreiche Liechtensteiner:innen nach Nordamerika ausgewandert. Heute profitieren wir massgeblich von der Migration nach Liechtenstein. Ohne Zuwanderung und die wertvolle Arbeit von Ausländer:innen könnten viele Branchen hierzulande nicht überleben — wie auch, in einem Land, das mehr Arbeitsplätze zählt als Einwohner:innen. Ich jedenfalls bin dankbar für die Leistung und kulturelle Vielfalt, zu der Migrant:innen tagtäglich beitragen.

Was die Fluchtmigration betrifft, wünsche auch ich mir, dass die Asylzahlen sinken — aber nicht, weil ich Angst habe, dass wir zu viel tun könnten, sondern weil wir zu wenig tun. Alle Menschen sollten in ihrer Heimat sicher und mit Zukunftsaussichten leben können. Solange das nicht gegeben ist, muss Schutzbedürftigen Schutz gewährt werden. Ausserdem müssen vor Ort Unterstützung geleistet und die Fluchtursachen bekämpft werden. Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlagen im globalen Süden schon jetzt. Klimaschutz muss bei der Migrationsfrage also mitgedacht werden.