Sozial 30. Oktober 2022 Tatjana As’Ad

Politische Frage der Woche — Arbeitsmodelle

Der Anteil an Frauen, die Teilzeit arbeiten, ist massiv höher als derjenige der Männer. Knapp 57 Prozent der Frauen verteilen sich auf Arbeitspensen zwischen 50 und 89 Prozent respektive weniger als 50 Prozent, wie das «Vaterland» anhand von Zahlen vom Amt für Statistik feststellte. Vor allem bei Frauen in der Familienphase zeigt sich dies deutlich und sie erreichen danach nie mehr dasselbe Arbeitspensum wie zuvor. Bei Männern gibt es diesen Knick nicht. Noch immer ist in Liechtenstein und der Schweiz das Modell «Vater arbeitet Vollzeit, Mutter Teilzeit» tief verankert.

Müssen die traditionellen Arbeitsmodelle durchbrochen werden?

Frauen* verdienen weniger, sind deutlich öfter von Altersarmut betroffen als Männer und in Führungspositionen unterrepräsentiert. Diese Probleme lassen sich zu einem beträchtlichen Teil auf eine Ursache zurückführen: Frauen* und besonders Mütter sind häufig und über eine lange Zeitspanne teilzeitangestellt und stemmen einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit. In Bezug auf «traditionelle Kernfamilien» ist die naheliegendste Lösung wohl, dass auch Väter ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie kürzen sollen, sodass ihre Partnerinnen aufstocken können. Und das nicht nur kurzfristig, sondern langfristig. Denn eine Vollzeit-Vollzeit-Lösung ist für Familien oft ein gutes Jahrzehnt lang nicht möglich. Mütter können durch eine Pensumerhöhung den Arbeitsplatz, die damit einhergehende Altersvorsorge und ihre finanzielle Unabhängigkeit sichern. Auch die Karrierechancen für Frauen* verbessern sich, was wiederum zu mehr Repräsentation von Frauen in Führungsgremien beiträgt.

Die Gleichstellung der Geschlechter könnte also massiv vorangetrieben werden, wenn mehr Väter in Teilzeit gingen. Es liegt nicht zuletzt an den Unternehmen und der Politik, hier Hürden abzubauen und Voraussetzungen zu schaffen, die das ermöglichen. Arbeitgeber*innen können die Teilzeitbeschäftigung für alle attraktiver gestalten, indem sie Beförderungskriterien anpassen, Führungspositionen in Teilzeit ermöglichen und Arbeitszeiten flexibler gestalten. Da Frauen* für die gleiche Arbeit a priori weniger verdienen und häufiger in schlechter bezahlten Branchen angestellt sind als Männer, entscheiden sich viele Familien auch aus finanziellen Gründen für eine traditionelle Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit. Das ist nur ein Grund, weshalb die Politik den Gender-Pay-Gap nachhaltig bekämpfen muss. Ausserdem soll sichergestellt werden, dass der Entscheid sich der unbezahlten Care-Arbeit zu widmen, im Alter nicht bestraft wird. Gerade auch mit Blick auf alleinerziehende Eltern soll niederschwellige, bezahlbare und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung durch den Staat gefördert werden, sodass ein höheres Teilzeitpensum überhaupt möglich ist.