Sozial 2. September 2023 Tatjana As’Ad

Politische Frage der Woche — Frühe Förderung

In einem Interview mit dem «Vaterland» sagte Marlen Jehle, Leiterin der Koordinations- und Beratungsstelle Frühe Förderung, dass das Thema zwar politisch mehr an Bedeutung gewinne, die Zuständigkeiten jedoch nicht geklärt sind. Sie wünscht sich eine generelle Vereinheitlichung und Steuerungsgruppe, die eine Strategie ­entwickelt und entscheidet, welche Empfehlungen wie ­umgesetzt und dann auch ­finanziert werden. Das Thema «Frühe Förderung» stehe trotz Sensibilisierungsarbeit oft im Hintergrund.

Erhält die «Frühe Förderung» zu wenig Priorität?

Seit 2018 hat sich im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Liechtenstein viel getan. Die Koordinations- und Beratungsstelle Frühe Förderung (KBFF) hat seit ihrer Einrichtung wichtige Meilensteine in der Sensibilisierung und Vernetzung zur Thematik geleistet. Darüber hinaus liegen umfassende Situationsanalysen der KBFF (2021) und der Sophie von Liechtenstein Stiftung (2019) vor, die Handlungsfelder definieren und konkrete Massnahmen empfehlen. Die Grundlagen für politisches Handeln sind also erbracht. Und die Gründe dafür, der «Frühen Förderung» mehr Priorität zu schenken, sprechen für sich: Die ersten Lebensjahre sind die wichtigste Phase für die Entwicklung eines Kindes und legen einen wichtigen Grundstein für Bildungs- und Lebenserfolg. Qualitativ hochwertige Interventionen in der frühen Kindheit tragen elementar zur Chancengerechtigkeit von Kindern aus bildungsfernen, sozial- und wirtschaftlich benachteiligten Familien bei. Was hier unterlassen wird, kann später nur mit grossem Aufwand aufgeholt werden und ist nicht selten mit hohen Kosten für den Staat verbunden. Durch das Elternhaus entstandene Nachteile bei Schuleintritt können von unserem Schulsystem oft nicht ausgeglichen werden. Das hat mitunter Auswirkungen auf die gesamte Bildungslaufbahn und reproduziert Armut im Erwachsenenalter.

Weil die Familie letztlich der wichtigste Ort für frühe Förderung ist, muss die Politik zwingend gute Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Neben weiteren Massnahmen sollte die Möglichkeit der Eigenbetreuung im ersten Lebensjahr eines Kindes, etwa dank einer ausreichend bezahlten Elternzeit von vier Monaten, dabei selbstverständlich sein.