Sozial 26. August 2024 Fraktion

Über Geld spricht man nicht? Höchste Zeit, es doch zu tun

«Was mit Geld zusammenhängt, bereitet am meisten Sorgen», titelt der Beitrag zu den drängendsten Problemen der Liechtensteiner Bevölkerung im Vaterlandmagazin zum Staatsfeiertag. Gesundheitskosten, Lebenshaltungskosten, Immobilienpreise und die Finanzierung der Altersvorsorge und Renten reihen sich in die unrühmlichen Top 5 des Sorgenbarometers ein. Die unverzichtbaren Ausgaben für das alltägliche Leben und der Gedanke an die Haushaltskasse im Alter bereiten über einem Drittel der Befragten Kopfzerbrechen. Sogar über die Hälfte gab an, dass sie sich Sorgen um die Gesundheitskosten machen. Geldsorgen sind also längst nicht mehr «nur» das Problem einer Randgruppe, sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Demgegenüber sind sowohl die Angst vor Arbeitslosigkeit als auch die Arbeitslosenquote verschwindend gering. Geldprobleme existieren also neben der Lohnarbeit, das zeigt auch ein Blick in die aktuellen Statistiken: In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die obligatorische Krankenversicherung, den Lebensunterhalt, die Miete und für Freizeitangebote so drastisch gestiegen, dass das real verfügbare Einkommen der Haushalte abnahm. Immer mehr Menschen geraten so finanziell unter Druck. Die akute Armutsgefährdung ist seit 2004 von 11% auf 17.1% gestiegen. Die Löhne hinken dem Kostenwachstum schlicht hinterher, das Wirtschaftswachstum kommt in grossen Teilen nicht dort an, wo es erarbeitet wurde.

Ist das fair? Und wie steht’s ganz allgemein so um die Lohn(un-)gerechtigkeit in Liechtenstein? Das wollte die Freie Liste mit einer Interpellation genauer herausfinden. Das Fazit ist leider ernüchternd: Vieles weiss man nicht, man will es nicht so richtig wissen und irgendwie scheint’s auch egal zu sein. Was wir wissen, ist, dass der monatliche Bruttolohn von Frauen ganze 14.1% tiefer liegt als der der Männer. Wir wissen auch, dass 42% der Lohnunterschiede nicht erklärt werden können — wobei die Regierung dann doch erklärt, dass es dafür vermutlich schon Gründe geben würde, sollte man danach suchen. Die Notwendigkeit für Massnahmen, die Lohnungleichheit bekämpfen, werden so gekonnt wegerklärt. Schliesslich sei ja nicht klar, ob es sich dabei auch wirklich um Ungerechtigkeiten handelt. Methoden für vertiefte Analysen  sind aber keine in Sicht. Sonnenklar ist dafür, dass die erklärbaren Lohnunterschiede massgeblich damit zusammenhängen, welchen Wert wir der verrichteten Arbeit zumessen. Nach wie vor sind ganze Branchen und Berufsgruppen strukturell unterbezahlt. Ausserdem wird ein Grossteil der Care-Arbeit gänzlich unbezahlt verrichtet, obwohl sie das Fundament für eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft bildet. Wenn die Sorgen der Bevölkerung ernsthaft gemindert werden sollen, ist eine gesellschaftliche und finanzielle Aufwertung von jenen Formen der Arbeit gefordert, die derzeit zu wenig Wertschätzung erfahren. Dafür braucht es ein politisches Bekenntnis, das über die Bestrebungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinausgeht.