Sozial 24. September 2022 Fraktion

Glaube ist Privatsache und kein staatliches Gut

Es ist ein wohltuendes Jahr für die LGBTQIA+-Community in Liechtenstein. Der diskriminierende Artikel 25 im Partnerschaftsgesetz wurde gekippt, die erste landeseigene Pride gefeiert und eine Motion für die Öffnung der Ehe für alle eingereicht. Überschattet werden die erfreulichen Meilensteine in Richtung Gleichstellung immer wieder von scharfer Kritik seitens des Erzbistums: Die Ehe für alle sei eine «teuflische Attacke» und katholische Abgeordnete stünden in der Pflicht, ein Verbot von gleichgeschlechtlichen Ehen zu verteidigen.

Angriffe wie diese schmerzen und sind besonders problematisch, bedenken wir die Sonderstellung der katholischen Kirche in Liechtenstein. Die katholische Kirche ist verfassungsrechtlich an den Staat gebunden. Sie geniesst den vollen Schutz von diesem und wird letztlich durch Staat und Gemeinden, also durch alle Bewohner*innen Liechtensteins finanziert — ganz unabhängig von deren Glauben. Rund 10.5 Millionen Franken wenden wir jährlich dafür auf, die katholische Kirche zu stützen. Es fliesst also eine beträchtliche Summe Geld in eine Institution, die sich gerade wiederholt übergriffig für einen diskriminierenden Status Quo einsetzt.

Würden wir denn in ein Unternehmen investieren wollen, das sich aktiv gegen unsere Werte und Rechte stellt? Hoffentlich nicht. Wieso also sollte die Kirche hier einen Sonderstatus erhalten? Und was grenzt den Katholizismus von anderen Religionsgemeinschaften ab?

Wenn religiöse Gruppen unterstützt werden, dann sollte das ohne staatliche Privilegierung geschehen. Nur so können wir den Schutz der Religionsfreiheit garantieren und allen Religions- und Glaubensgemeinschaften per Gesetz die gleichen Rechte gewähren. Jede*r soll selbst entscheiden können, welche Institutionen und damit einhergehenden Werte unterstützenswert sind. Glaube — wie auch sexuelle Orientierung — ist Privatsache und es ist an der Zeit, dass das in Liechtenstein auch so gehandhabt wird. Für die Gleichberechtigung und Wertschätzung aller Menschen, unabhängig von Religionszugehörigkeit oder sexueller Orientierung, müssen wir Staat und Kirche trennen. Jüngste Ereignisse verleihen dieser altbekannten Forderung erneut Nachdruck.