Sozial 17. September 2023 Tatjana As’Ad

Politische Frage der Woche — Arbeitsintegration von Geflüchteten

Der Liechtensteinische ArbeitnehmerInnenverband LANV präsentierte mit dem Interregionalen Gewerkschaftsrat Bodensee am Montag einen ausführlichen Massnahmenkatalog, wie der Arbeitskräftemangel im Vierländereck bekämpft werden soll. Eine davon lautet: «Integration von Asylbewerberinnen und -bewerbern in den Arbeitsmarkt». Da bestehe ungenutztes Potenzial. Unter anderem werde der Qualifikationsvertrag zu selten genutzt, da er noch relativ unbekannt sei. Weiter warf LANV-Präsident Sigi Langenbahn Arbeitgebern vor, die Mühe zu scheuen und dass Vorbehalte gegenüber geflüchteten Arbeitskräften zu spüren seien.

Wird das Potenzial von Geflüchteten zu wenig genutzt?

Die Integration von Geflüchteten im Arbeitsmarkt ist aus diverser Hinsicht zentral. Eine Arbeitsstelle schafft Perspektiven, stärkt die finanzielle Unabhängigkeit und die gesellschaftliche Teilhabe. Liechtenstein ermöglicht die Erwerbstätigkeit von Flüchtenden ab dem ersten Tag und weist eine vergleichsweise hohe Erwerbsquote auf, was positiv zu beurteilen ist. Davon profitieren nicht zuletzt auch die händeringend nach Fachkräften suchenden Arbeitgeber:innen. Unser Asylgesetz und fehlende Rahmenbedingungen tragen dazu bei, dass nicht das volle Potenzial ausgeschöpft werden kann.
Viele Flüchtende erfüllen die restriktiven Voraussetzungen für Asyl nicht, weil eine individuelle Verfolgung nicht nachweisbar ist. In diese Kategorie fallen bspw. vom russischen Angriffskrieg betroffene Ukrainer:innen (vgl. Status S) oder Menschen aus Afghanistan, die vor den Taliban flüchten (vgl. Status F). Ihre Schutzbedürftigkeit ist unbestritten — trotzdem werden sie nicht als Flüchtlinge anerkannt, sondern lediglich «vorläufig aufgenommen». Die Aufnahme wird jeweils für ein Jahr gewährt, nach erneuter Prüfung verlängert oder, sofern ein sicherer Wegweisungsvollzug möglich ist, aufgehoben. Neben weiteren massiven Nachteilen, vermindert dieses rechtliche Konstrukt die Arbeitsintegration von Menschen mit dem S- oder F-Ausweis. Entgegen der Realität, in der eine Rückkehr oft längerfristig unmöglich ist, suggeriert «vorläufig» eine für Arbeitgeber:innen unattraktive kurze und ungewisse Aufenthaltsdauer. Die falsche Annahme, dass ein negativer Asylentscheid mit unberechtigtem Aufenthalt gleichzusetzen sei, ist zudem immer noch verbreitet.
Ungenutztes Potenzial am Arbeitsmarkt entsteht auch auf Grund von fehlender Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele erwerbsfähige Geflüchtete sind Eltern mit betreuungsbedürftigen Kindern. Damit einer Anstellung nachgegangen werden kann, sind sie — wie andere Eltern, die betreffend Care-Arbeit nicht auf ein soziales oder familiäres Umfeld zurückgreifen können oder wollen — auf bezahlbare und hochwertige Unterstützungsangebote angewiesen.