Sozial 2. April 2023

Politische Frage der Woche — Armut

Nachdem viele Politiker:innen und Organisationen darauf gewartet haben, kündigte  das Amt für Statistik die Erscheinung eines neuen Armutsberichts an – und zwar noch im ersten Halbjahr 2023. Der letzte erschien 2008. In der neuen Publikation stehe besonders die finanzielle Situation der unteren Einkommensklasse im Zentrum. Der Bericht soll umfassende Informationen zur Armutsgefährdung in Liechtenstein enthalten.

Was denken Sie über die Armut in Liechtenstein?

Wenn man in Liechtenstein über Armut spricht, hört man oft den Satz „das gibt es doch bei uns gar nicht“. Jedoch sind auch wir keine Ausnahme vom weltweiten Problem des ungleich verteilten Wohlstands und davon, dass Menschen mit tiefem Einkommen unsere Gesellschaft für wenig Lohn auf ihren Schultern tragen. Es wird zu wenig für arme Menschen unternommen, auch weil wir anscheinend einer Ideologie ausgesetzt sind, die es als notwendig erachtet, dass es nun mal Arme geben muss. Unser Wirtschaftssystem braucht Menschen, auf die man Druck ausüben kann, aus denen man maximalen Profit schlagen kann. Klar, können nicht alle gleich viel verdienen und besitzen, jedoch ist es kein Geheimnis, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht wegen den Armen auseinandergeht. Kleine Umverteilungsmechanismen von Reich zu Arm gibt es zwar, der grösste ist aber einer von Arm zu Reich. Problematisch ist sicher, dass wir einen veralteten und sehr minimalistischen Armutsbegriff im Kopf haben. Nur weil man kaum Obdachlose und Bettelnde sieht, heisst das nicht, dass es nicht viele Familien und Einzelpersonen gibt, die Monat für Monat jeden Rappen zählen müssen. Tiefe Löhne und wenig Arbeitnehmer:innenrechte kombiniert mit exorbitanten Gesundheits- und Mietkosten sind für viele eine enorme Belastung. Lohn- sowie Rentenerhöhungen für die, die sie nötig hätten, bleiben aus und das zeigt, dass es immer einzelne gibt, die von der Armut anderer profitieren.

Valentin Ritter, Vorstandsmitglied der Jungen Liste