Sozial 5. März 2023

Politische Frage der Woche — Recht auf Nichterreichbarkeit

Viele Arbeitnehmende befürchten Konsequenzen, wenn sie in ihrer Freizeit oder im Urlaub für den Arbeitgeber nicht erreichbar sind. Das EU-Parlament hat sich 2021 mit grosser Mehrheit für ein Recht auf nicht Erreichbarkeit der Arbeitnehmenden ausserhalb der Arbeitszeit ausgesprochen. In der Schweiz will die Grüne Nationalrätin und Gewerkschaftspräsidentin Greta Gysin das Arbeitsgesetz in einer Motion in der Frühlingssession ändern. Bundesrat und Arbeitsrechtsexperten sagen, das Gesetz sei heute schon klar. Der Gewerkschaftsdach-
verband Travailsuisse hingegen ist der Ansicht, dass es eine Konkretisierung benötige.

Braucht es in Liechtenstein ein Recht auf nicht Erreichbarkeit?

Im privaten Bereich haben sich viele von uns schon daran gewöhnt, immer erreichbar zu sein. Dank Smartphones, Messengerdiensten und sozialen Medien kommunizieren wir täglich zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten. Wir können andere kontaktieren, wann und so oft wir wollen und genauso verhält es sich umgekehrt. Diese “moderne” Art zu kommunizieren hat längst auch in der Arbeitswelt Einzug gehalten und dort, wo die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem verschwimmen, wird es problematisch. Des Weiteren hat die Pandemie die ohnehin schon bemerkenswerten Veränderungen in der Arbeitswelt extrem beschleunigt. Homeoffice wurde für viele Arbeitnehmende plötzlich zur Realität, obwohl sie vorher überhaupt nichts damit am Hut hatten. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen erkannten in den vergangenen drei Jahren, dass diese Arbeitsform neben Nachteilen durchaus auch Vorteile hat. Dass beim Homeoffice die Abgrenzung zwischen Privatem und Geschäftlichem besonders problematisch ist, liegt auf der Hand. Gerade hier wird die Frage nach der Erreichbarkeit besonders schwierig.

 Grundsätzlich sind im Arbeitsgesetz die Mindestruhezeiten geregelt. So muss zum Beispiel zwischen zwei Arbeitstagen eine solche von elf Stunden eingehalten werden. Wenn von Ruhezeit die Rede ist, ist davon auszugehen, dass man dann nicht erreichbar sein muss. Das Gleiche gilt auch für Ferien, die schliesslich der Erholung dienen sollen. Die Verfügbarkeit und Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel und unser Umgang mit diesen erschwert aber die nötige Abgrenzung. Daher wäre eine Art festgeschriebenes Recht auf Nichterreichbarkeit bestimmt von Vorteil. Aufgrund der vielen Veränderungen in der Arbeitswelt macht es aber mehr Sinn, das Ganze umfassender zu betrachten und das Arbeitsrecht generell den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Daniel Walser, Vorstandsmitglied der Freien Liste